Das Haushaltsjahr 2022 wird spannend. Im Rahmen der Vorberatungen haben Martin Oettinger (im Teil 1) und Karin Ebinger (im Teil 2) Stellung zum Haushalt genommen.
Nachfolgend die Rede von Martin Oettinger – vorgetragen am 30.11.2021 – es gilt das gesprochene Wort
Sehr verehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,
sehr verehrte Frau Baubürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,
„…und täglich grüßt das Murmeltier…“
Nicht mehr oder weniger möchte ich zu Beginn meiner Rede zur aktuellen pandemischen Situation verlieren. Persönlich, betrieblich und auch als Kommunalpolitiker schwankt meine Stimmung gerade zwischen Frustration und Resignation hin und her. Mittlerweile fällt es (sogar) mir schwer den „Silberstreif am Horizont“ auszumachen. Sehen Sie es mir bitte nach. Neben dem leider wieder allumfassenden Thema müssen und wollen wir uns heute hier dem Haushaltsplan für 2022 und der Finanzplanung der Folgejahre widmen.
Meine Damen und Herren,
in diesem Jahr wird entgegen langjähriger Übung nicht unser hochgeschätzter Fraktionsvorsitzender Uli Lenk zur Haushaltsrede ans Pult treten. Für unsere FW/FD Fraktion wird in diesem Jahr die Haushaltsrede gemeinschaftlich von Frau Karin Ebinger und mir gehalten. Wir bedanken uns bei unserem Fraktionsteam und ausdrücklich auch bei Dir Uli für den Vertrauensvorschuss. In meinem Teil der Rede werde ich mich vornehmlich dem Ergebnishaushalt widmen. Frau Ebinger wird im Anschluss hauptsächlich auf den Vermögens- bzw. investiven Haushalt eingehen.
Quo vadis Haushalt…Wo geht die Reise hin…
Man könnte unsere Haushaltsrede aus dem vergangenen Jahr nahezu als Blaupause für jetzt verwenden. Ohne die vorangegangenen und notwendigen Haushaltsstützungen vom Bund wären wir in Fellbach um einen Nachtragshaushalt nicht herumgekommen. Die Steuerkraftsumme, die Gewerbesteuer und das Finanzausgleichgesetz sind die maßgeblichen Einnahmefaktoren im Ergebnishaushalt. Das uns mittlerweile nicht mehr fremd erscheinende doppische Haushaltssystem gibt richtigerweise die Erwirtschaftung des Werteverzehrs im Ergebnishaushalt vor. Wir sprechen von den Abschreibungen. Für unsere FW/FD Fraktion ist ein zumindest ausgeglichenes ordentliches Ergebnis im Haushalt Basis für alles folgende. Das war, ist und wird auch immer so bleiben.
Im aktuellen Haushaltsentwurf erreichen wir dies jedoch nicht. Nimmt man mal die kalkulatorischen Abschreibungen heraus, landen wir immer noch bei einem negativen ordentlichen Ergebnis. Einfach gesagt – Die laufenden Einnahmen können die Ausgaben nicht decken. Werteverzehr und Investitionen mal ganz außen vorgenommen. Einmalig ein Warnzeichen – Mehrmalig ein Alarmsignal!
Im Jahr 2022 verfehlen wir dieses Ziel vermutlich um rund 1,35 Mio. €. Das geplante ordentlich Ergebnis wird bis auf das Jahr 2023 ein negatives sein. Die Nettoneuverschuldung von Fellbach steigt ab 2022 um 33 Mio. € sukzessive auf eine Gesamtverschuldung von über 110 Mio. € im Jahr 2025 an. Geld spielt offenbar heute keine Rolle mehr. Erlauben Sie mir diese saloppe Aussage, welche aufgrund der Zins- und Kapitalmarktpolitik bei leibe nicht weltfremd ist. Mit einer Neuverschuldung aufgrund der wichtigen und richtigen investiven Maßnahmen vor allem im Schul-, Sporthallen- und Betreuungssektor kann unsere Fraktion gut umgehen.
Eine Neuverschuldung ist unumgänglich. In vielen Kommunen und auch Landkreisen sieht die Situation gleich oder gar noch prägnanter aus.
Trotzdem oder gerade deswegen gilt unser Apell, den Kapitaldienst nicht zu vernachlässigen.
Exemplarisch für die Sanierungen unserer Sporthallen/Sportstätten ist der Standort „Gäuäcker“ im Finanzbedarf ab 2025 zwischen 9 und 23 Mio. € vorgemerkt. Wie bereits in der letzten Haushaltsrede unserer FW/FD Fraktion beantragt erwarten wir jedoch von der Verwaltung die Gesamtbetrachtung aller Sportstätten bzw. Sporthallen in allen Fellbacher Stadtteilen. In diesem Zusammenhang gehen wir von umfassenderen Informationen bei der Klausurtagung im nächsten Jahr aus.
Wir stellen hiermit den Antrag:
Investitionen bzw. Baumaßnahmen neben der schon bisherigen Kostenkalkulation bzw. Kostenprognose um einen Faktor zu erweitern. Grundsätzlich soll neben der geplanten Ausführungsvariante eine den Mindestanforderungen gerecht werdenden Alternative (kostentechnisch) abgebildet werden. Natürlich ist uns bewusst, dass eine „Sparvariante“ zu schnelleren und auch ggf. höheren Instandhaltungskosten führen kann. Trotzdem halten wir es für wichtig dadurch ein besseres Gefühl für die Investitionssumme zu bekommen.
Ein ausgeglichener Ergebnishaushalt muss für uns das Minimalziel sein! Ohne Reserven oder Rücklagen aus einem positiven Ergebnishaushalt können wir kommende Investitionen nur mit weiteren Schulden umsetzten. Ein wichtiges Augenmerk unserer Fraktion bleibt daher auf dem Ergebnishaushalt!
Für folgerichtige halten wir es daher an der mittlerweile etablierten „Haushaltsstrukturkommission festzuhalten. Eine Zusammenkunft pro Quartal halten wir grundsätzlich für wichtig und richtig. Lassen Sie uns frei und ohne Scheuklappen über die Finanzlage, Investitionen und die Personalsituation sprechen und diskutieren. Ein Instrument mit dem Arbeitstitel „Haushalts-Cockpit“ würden wir gerne bei einer der nächsten Sitzungen vorschlagen und erläutern.
Stellenplan und Stellenbesetzung
Nach Informationen vom Hauptamt in der VA Sitzung vom 16.11.21 sind aktuell ca. 45 Stellen unbesetzt. Anders gesprochen sind das über 8% des Gesamtstellenplans. Unsere besondere Wertschätzung gilt daher allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern welche schon länger weit mehr als 100% leisten. Der Fachkräftemangel bzw. die Fachkräftegewinnung ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Aus kommunaler Sicht besonders betroffen ist der bautechnische Bereich wie auch der Bereich der Kinderbetreuung. Nur mit überdurchschnittlich attraktiven Arbeitsbedingungen, klar herauszuerkennenden Alleinstellungsmerkmalen und einer Sicherheit gebenden Personaldecke kommen wir hier weiter. Parallel dazu muss aber auch die Kostenentwicklung angesprochen werden. Eine stark anziehende Inflationsrate (5%+) führt auch zu höheren Ansprüchen in den Tarifverhandlungen. Diese Anpassungen wirken sich dann wieder zwangsläufig auf die Bepreisung aus. Was mich zum nächsten Thema bring.
Gebühren & Verwaltungskosten
Eine regelmäßige und objektive Betrachtung aller Gebühren ist sinnvoll und richtig. Dafür steht unsere FW/FD Fraktion. Ganz egal in welchem Bereich. Eine noch bessere öffentliche Kommunikation halten wir für sehr wichtig.
Daher beantragen wir eine regelmäßige (min. 1 x pro Jahr) Veröffentlichung der Kostendeckungswerte und/oder auch der Defizitwerte für die einzelnen Bereiche im Stadtanzeiger und anderen geeigneten Medien. Wir halten dies für transparenzfördernd vor allem in der öffentlichen Diskussion darüber.
Außerplanmäßige Ausgaben zur Bewältigung der COVID-19 Pandemie
Fellbach ist kreisweit Vorreiter, setzt Maßstäbe und besondere Akzente was die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie angeht. Unsere volle Unterstützung und unser Dank gilt daher an die Verwaltungsspitze, und die in einem beispielhaft aufgebauten Netzwerk kooperierenden Ärzte, Apotheken, Ehrenamtlichen und Vereine! Besonders hervorheben möchten wir das Engagement im Bereich Schnelltestung und Impfung! Mit den diversen Testzentren und vor allem dem kommunalen Impfzentrum in der Alten Kelter waren und sind außerplanmäßige Kosten verbunden, welche von unserer Fraktion vollumfänglich mitgetragen und unterstützt werden.
Zu unseren Ortskernen in Fellbach, Schmiden und Oeffingen:
Die Neue Mitte Fellbach beschäftigt uns schon seit längerem intensiv.
Der Idee einer möglichen Verschiebung der Stadtbahnhaltestelle Lutherkirche war unsere Fraktion nie abgeneigt. Von den städtebaulichen Möglichkeiten, die sich daraus für Fellbachs Neue Mitte ergeben können, sind wir nach wie vor überzeugt. Gleiches gilt dann auch für die Sanierung der Rathaustiefgarage und den Möglichkeiten die Ein- und Ausfahrt-Situation neu zu denken und zu regeln.
Im Bereich der Neuen Mitte Schmiden sind wir vorangekommen. Jedoch wirft das Thema Verkehr und zukünftige Verkehrswegeplanung für unsere Fraktion noch einige ungelöste Fragen auf.
Allein auf Basis von Rechenmodellen Verkehrszahlen bzw. Verkehrslasten von A nach B zu verschieben ist zu einfach gedacht. Das etwas funktionieren kann reicht nicht aus. Es muss dauerhaft besser funktionieren aus vorher.
Was die Neue Mitte Oeffingen angeht stecken wir zugegebenermaßen noch in den Kinderschuhen. Das klare Bekenntnis der Stadtverwaltung und des Gemeindarts zu den Stadtteilen ist mit der Aufwertung der Verwaltungsstellen zu nunmehr Rathäusern im Stadtteil Oeffingen und Schmiden gemacht. Ein erster, wichtiger und richtiger Schritt. Die Besetzung der Leitungsstelle mit Frau
Verena Bieg ist für uns eine Idealbesetzung, weil sie aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung bestens in der Fellbacher Stadtverwaltung auskennt und in Oeffingen bzw. Schmiden ausgesprochen gut verwurzelt und vernetzt ist. Weiter müssen wir aber für Oeffingens neue Mitte zeitnah in die intensivere Planung einsteigen.
Mit Einführung des neuen Grunderwerbskonzept in der Bodenpolitik begeben wir uns auf neue Wege. Wie erfolgreich dieser Weg ist wird die Zeit zeigen. Hier braucht es sicher einen langen Atem und auch eine objektive Reflektion in einigen Jahren. Nicht weil es anders ist als zuvor wird es automatisch besser. Damit sich aber etwas verbessern kann muss es auch anders werden.
Gewerbeansiedlungen
Wir haben uns auf Potenzialflächen bzw. Gebiete verständigt. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist uns wichtig dies hier auch öffentlich nochmals anzusprechen. Noch vollkommen offen ist, in welchem tatsächlichen Umfang Freiflächen für die Bebauung freigegeben werden. Uns ist es wichtig hier den Konsens zwischen Frei- bzw. Erholungsraum und zeitgemäßer Gewerbeansiedelung zu erreichen. Für uns steht Qualität vor Quantität.
Parkplatz P3
Der Parkraumdruck in Fellbach Süd ist enorm und wird sich durch den Wegfall der Stellplätze für den Interims Kindergarten auf der Fläche des Parkplatztes P3 beim Max-Graser-Station noch verschärfen. Der geplanten Erweiterung des Parkplatzes am F3 durch ein Parkhaus steht unsere FW/FD Fraktion daher positiv gegenüber. Es entspricht unserer Grundüberzeugung bereits versiegelte Flächen in deren Nutzung zu optimieren, bevor es zu einer Neuversiegelung kommt. Zudem sehen wir in einem überirdischen Parkangebot eine größere Attraktivität für die Nutzer.
Kreis Umlage / Kreishaushalt
Als Stadtrat und auch Kreisrat obliegt es mir auch hier einige kurze Worte zur Kreisumlage zu verlieren. Im Kreis plädieren wir als FDP/FW Kreistagsfraktion ausdrücklich dafür die Umlage leicht abzusenken oder zumindest gemäß dem Kreisvorschlag beizubehalten. Dies ist aktuell möglich, weil der Kreis bewusst mit über 6 Mio. € ins Risiko geht, und das, obwohl aus aktuell sicher bekannten Gründen das Defizit der Rems-Murr-Kliniken wieder nach oben geht. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die kommunale Familie „Kreis & Kommunen“ sich solidarisch verhalten.
Abschließend wünsche ich ihnen persönlich aber auch stellvertretend für unsere gesamte Fraktion:
Gesundheit und die notwenige Kraft zur Zuversicht!
Auch die einzelne Entscheidung kann für das Wohl aller wirksam sein! Achten Sie auf sich, aber auch auf alle anderen!
Damit übergebe ich das Wort an meine Kollegin Frau Karin Ebinger…