Im Gedenken an Friedrich-Wilhelm Kiel

Ein Nachruf von Ulrich Lenk

„Unser Ziel – OB Kiel“  – unter diesem Slogan stand im Jahr 1976 der OB-Wahlkampf in Fellbach, bei dem ich Friedrich-Wilhelm Kiel persönlich kennenlernen durfte und ihn im Wahlkampf mit vereinten Kräften unterstützte.  Der frühere Sport-, Physik-  und Mathematik-Lehrer, der danach Erster Bürgermeister in Ettlingen und Beigeordneter der Stadt Pforzheim war, überzeugte die Fellbacher Wähler, so dass er sich am Ende klar gegen namhafte Mitkandidaten von der CDU und der SPD durchsetzen konnte.

Seit dieser Zeit habe ich mit Fritz Kiel engstens zu tun gehabt; zunächst als SJR-Vorsitzender bzw. FDP-Mitglied und ab 1980 als Stadtrat und zuletzt Fraktionsvorsitzender. In seinen 24 Jahren als Oberbürgermeister hat sich Fellbach blendend entwickelt. Mit der ihm eigenen Zielstrebigkeit und seinem Ideenreichtum krempelte er die Stadt um und verlieh Fellbach ein überregional beachtetes unverwechselbares Profil. Zusammen mit dem Ersten Bürgermeister Hochwald und dem Baubürgermeister Rosenberger wurden u.a. die neue Stadtmitte mit dem neuen Rathaus, die Festhalle Schmiden, die Alte Kelter, die neue Stadtbücherei am Berliner Platz, die neue städtische Musikschule, die Verlegung der B 14 in den Kappelbergtunnel, der Stadttunnel Fellbach, viele Spiel- und Sportplätze oder die Gäuäckersporthalle realisiert.

Als eine der ersten Städte schuf er die Stelle eines Umweltbeauftragten und Fellbach gehörte zu den ersten Städten, die einen Ausländerbeirat und einen Jugendgemeinderat etablierten. Dazu kamen alljährlich Baumpflanzaktionen für Neugeborene und unzählige Stadtteilbegegnungen, mittlerweile landauf landab kopiert.

Unvergessen sind seine weit über Fellbach hinaus beachteten Bemühungen zur Völkerverständigung. Neben der Partnerschaft mit der oberitalienischen Stadt Erba war es seinen persönlichen Bemühungen und seinen Kontakten ins Auswärtige Amt zu verdanken, dass Fellbach 1986 als erste deutsche Stadt eine Städtepartnerschaft über den Eisernen Vorhang hinweg mit der ungarischen Stadt Pécs einging, der schon ein Jahr später 1987 eine der ersten innerdeutschen Partnerschaften mit Meißen und im Jahr 2000 der Bau des Fellbach-Hauses für kriegstraumatisierte Kinder im kosovarischen Suhareke folgte.

Dass Fellbach eine blühende Kulturstadt ist, verdankt es im Wesentlichen Fritz Kiel. Er etablierte und förderte schon früh ein eigenes Kulturamt und mit der bundesweit beachteten „Triennale Kleinplastik“, dem „Mörikepreis“ oder dem „Europäischen Kultursommer“ schuf er kulturelle Glanzlichter, die bis heute weit über Fellbach hinaus strahlen.

In guter Erinnerung bleibt auch sein über seine Amtszeit hinausgehender Kampf gegen den Bau eines vier- oder sechsspurigen Nordostrings quer über das Schmidener Feld. Stattdessen setzte er sich schon vor über 20 Jahren für eine zweispurige Alternativtrasse mit einer nicht autobahntauglichen Neckarbrücke ein.

Doch damit nicht genug. Als langjähriger FDP/FW-Kreisrat und Fraktionsvorsitzender war er auch eine die Kreispolitik prägenden Persönlichkeit. Auch als Landesvorsitzender der FDP packte er manch heißes Eisen an und war ein Verfechter marktwirtschaftlicher und liberaler Ideen. Und von 1992 bis zum Jahr 2000 brachte er als Landtagsabgeordneter seine große kommunalpolitische Erfahrung ins Landesparlament ein, wobei ich ihn jedes Mal als Zweitkandidat unterstütze.

Friedrich-Wilhelm Kiel war ein „Schaffer vor dem Herrn“, der kaum zu bremsen war; übrigens am Ehesten noch von seiner ihm immer treu zur Seite stehenden Ehefrau Gretel.  Wenn er von einer Idee oder einem Projekt überzeugt war, ließ er sich kaum mehr beirren und holte sich „mit der Fahne voraus“ auch hin und wieder eine blutige Nase. Doch unterm Strich gab ihm der Erfolg recht und er war ein großer Glücksfall für Fellbach und darüber hinaus. So bin ich sicher, dass ein anderer Oberbürgermeister nicht den langen Atem wie er gehabt hätte, den Neubau des heute gefeierten Fellbacher Rathauses gegen die damals lautstark und mit persönlichen Angriffen nicht zimperliche Opposition („Rettet die Lutherkirche vor Beton“) umzusetzen.

Für mich persönlich war Fritz Kiel ein unvergessener Wegbegleiter, Förderer und Freund. Jedes Gespräch mit ihm war gewinnbringend, auch wenn wir uns in der Sache manchmal heftig (übrigens auf hohem Niveau und ohne nachtragend zu sein) streiten konnten. Friedrich-Wilhelm Kiel, der in Fellbach rasch vom Biertrinker zum Wein-Liebhaber mutierte, ist für mich bis heute ein Vorbild in Sachen Disziplin, Mut, Durchsetzungsvermögen und Geradlinigkeit und wird mir als kompetenter und über den Tellerrand hinausdenkender Ratgeber, der oft seiner Zeit voraus war, in bester Erinnerung bleiben.

Als er im Herbst 2000 nach 24 Jahren als Stadtoberhaupt offiziell verabschiedet wurde, schloss er seine Rede beinahe zu Tränen gerührt mit den Worten: „“Der Oberbürgermeister Friedrich-Wilhelm Kiel geht – aber der Fellbacher Bürger Fritz Kiel bleibt“. Noch über 20 Jahre lang durfte er in seinem Haus am Fuße des geliebten Kappelbergs den Ruhestand genießen, wobei er aus gebührendem Abstand, aber mit bis zuletzt mit wachem Interesse die Kommunalpolitik, aber auch das Weltgeschehen verfolgte.  

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